Regelbasierte Produktkonfiguration von Produktvarianten |
Voraussetzung für massenhafte Spezialanfertigung (Mass Customization) |
Sowohl bei Konsum- als auch bei Investitionsgütern wird zusehends mehr nach Möglichkeiten der Produktindividualisierung nachgefragt. Im Konsumgüterbereich gehen die Anforderungen mehr in Richtung Designs, Oberflächen und Farben zur persönlichen Gestaltung von Produkten wie zum Beispiel Smartphones, Möbel, Automobile usw. Im Falle von Investitionsgütern liegt der Fokus in der Hauptsache auf Funktions- und Anwendungsvariabilität, um maximalen Nutzen aus der Anschaffung etwa eines Betriebsmittels ziehen zu können.
Mittels Produktkonfiguration auf der Grundlage eines Produktbaukastens lassen sich diese Anforderungen kundenorientiert erfüllen. Das Baukastensystem erlaubt, Produktvarianten in einem konzipierten Rahmen auf Basis eines Regelwerks zusammenstellen zu können. Hierzu wird eine sogenannte Variantenkonfiguration erstellt. Diese umfasst eine Varianten-Produktstruktur und einen Konfigurationsdialog. Mit beiden Komponenten lassen sich Produktvarianten nach Kundenwunsch konfigurieren.
Basics zu Baukastenkonstruktion >>>
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Entsprechend der Spezifikation des konfigurierbaren Produkts werden die Produktmerkmale festgelegt. Sie sind gleichzeitig mögliche Merkmale bei der Konfiguration. Jede der varianten Komponenten in einem konfigurierbaren Produkt hat mindestens ein wählbares Merkmal bzw. eine wählbare Eigenschaft. |
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Ein Dreh- bzw. Bürostuhl kann beispielsweise folgende Merkmale/Eigenschaften aufweisen: Bezugsfarbe (rot, blau, schwarz), Rückenlehnenfunktion (mit/ohne Lordosenstütze), Federungsart (Standard, Komfort bzw. gewichtsabhängige Wirkung), Armlehnen-Design (dreieckig, trapezförmig). |
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Zwischen wählbaren Merkmalen/Eigenschaften kann es Ausschlusskriterien geben. Diese können technisch, baulich, durch länderspezifische Vorgaben oder anderweitig bedingt sein. Bezüglich des Drehstuhl-Beispiels kann etwa folgende Zwangsbedingung zwischen Federung und Armlehne bestehen: Wird für den Drehstuhl eine Komfort-Federung gewählt, ist dieser nicht ohne Armlehnen lieferbar. |
Varianten-Produktstruktur |
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Die Varianten-Produktstruktur (VPS) repräsentiert alle konfigurierbaren Produkte bzw. Produktvarianten. Sie besteht aus Standardteilen und -baugruppen. Das sind die Baukomponenten, die in jeder Produktvariante enthalten sind. Des Weiteren enthält die VPS Teile- und Baugruppenvarianten. Dies sind die wahlbaren Baukomponenten. Ferner umfasst sie optionalen Teilen und/oder Baugruppen sowie Regeln. Baugruppen in der VPS mit Teilevarianten oder optionalen Teilen werden als Baugruppenvarianten bezeichnet. Dieser Begriff weist darauf hin, dass eine solche Baugruppe viele Variantenbaugruppen repräsentiert und erst mit der Konfiguration ausgeprägt wird. |
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Gemäß den festgelegten Merkmalen/Eigenschaften enthält die Varianten-Produktstruktur des Drehstuhl-Beispiels zwei Armlehnen-, zwei Feder-, drei Sitz- und sechs Lehnen-Varianten sowie vier Auswahlregeln. Zudem hat die VPS eine Standardbaugruppe Stuhlfuß und die Variantenbaugruppen Stuhlgestell, Stuhlrumpf und Drehstuhl, wobei die letzte das Variantenprodukt Drehstuhl repräsentiert. |
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Die Auswahlregeln sind WENN-DANN-Beziehungen und werden jeweils in einer Entscheidungstabelle abgebildet. Regelobjekte in der VPS sind hierarchisch mit Variantenbaugruppen verknüpft. Einem Regelobjekt wiederum sind die wählbaren Baukomponenten zugeordnet. Diese Zuordnung kann direkt sein oder über eine Teileklasse erfolgen, in der sich diese befinden. |
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Muss eine große Zahl an varianten Baukomponenten mit einer Auswahlregel verknüpft werden, ist es sinnvoll, die Teileklasse der varianten Baukomponenten mit der Auswahlregel zu verbinden. Dies vereinfacht sowohl Aufbau als auch Pflege einer Varianten-Produktstruktur. Ein solches Vorgehensweise empfiehlt sich bei dieser Arbeit grundsätzlich. |
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Der Konfigurationsdialog dient der Auswahl der möglichen Konfigurationsmerkmale. Die Reihenfolge zur Festlegung der Konfigurationsmerkmale ist beliebig. Zwangsbedingungen zwischen Konfigurationsmerkmalen werden mittels Ausschlussregeln behandelt, d. h. Ausschlussregeln sorgen dafür, dass der Nutzer in Abhängigkeit seines bisherigen Dialogs die korrekten Auswahlmenüs angeboten bekommt. |
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Die Ergebnisse des Konfigurationsdialogs, also die vom Nutzer ausgewählten Konfigurationsmerkmale, fließen direkt in die Auswahlregeln der Varianten-Produktstruktur ein. Dort werden sie durch die jeweils gewählte Baukomponente ersetzt. Am Ende des Vorgangs wird aus der Varianten-Produktstruktur die Produktstruktur der konfigurierten Produktvariante. |
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Das Regelwerk umfasst verknüpfte Ausschluss- und Auswahlregeln. In komplexeren Produktkonfigurationen können noch weitere Regeltypen (z. B. Strukturregel) erforderlich sein. Jede Regel wird gewöhnlich mit Hilfe einer Entscheidungstabelle (ET) aufgebaut. Eine ET beinhaltet die vier Bereiche: Bedingungs-, Aktions-, Bedingungsanzeige- und Aktionsanzeigeteil. Die Einträge von Bedingungs- und Aktionsteil erfolgen vertikal und werden UND-verknüpft, die Einträge von Bedingungsanzeige- und Aktionsanzeigeteil werden horizontal eingebracht und sind XOR-verknüpft (XOR = exklusives ODER). |
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Falls Zwangsbedingungen in einer Variantenkonfiguration vorliegen, steuern Ausschlussregeln den Konfigurationsdialog, d. h. eine Ausschlussregel sorgt für die Generierung eines situationsbedingten Auswahlmenüs. |
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Die Auswahlregel in der Varianten-Produktstruktur ist dafür zuständig, dass die Baukomponenten, die den gewählten Merkmalen/Eigenschaften entsprechen, in die entstehende Produktstruktur einfließen. |
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Die Regeln bzw. Entscheidungstabellen lassen sich bei professionellen Produktkonfiguratoren graphisch interaktiv aufbauen. Dies ist notwendig, da bei komplexeren Regeln die Tabellen schnell sehr groß und unübersichtlich werden. |
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Der Begriff Produktkonfiguration bezeichnet zum einen den Vorgang des Konfigurierens und zum anderen das Ergebnis einer Konfiguration. Dieses ist zugleich die aus der Konfiguration entstandene Produktstruktur bzw. Stückliste der neuen Produktvariante. |
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Der Vorteil der Produktkonfiguration liegt darin, dass auf Basis eines Baukastensystems eine Vielzahl an möglichen Produktvarianten angeboten werden kann. Mit der geeigneten Produktionsform müssen jedoch nur die Varianten gebaut werden, für die tatsächlich die Bestellung eines Kunden vorliegt. |
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Unter Nutzung der entsprechenden Produktionsform (z. B. Assemble to Order) kann die Stückliste sofort an die Produktionsplanung übergeben werden. Bei auftragsneutraler Vorfertigung und ggf. Vormontage lässt sich im Idealfall gleich die Endmontage beauftragen. Dies ist vor allem vom Komplexitätsgrad des konfigurierbaren Produkts abhängig. |
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Ein Produktkonfigurator bzw. die Produktkonfiguration kann für die interne Anwendung durch den Vertrieb oder die externe Nutzung durch potentielle Kunden bestimmt sein. Die externe Nutzung lässt sich mittels einer Web-Portal-Lösung realisieren. |
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Produktbaukasten-Struktur "Drehstuhl"
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Varianten-Produktstruktur "Drehstuhl"
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Konfigurationsdialog "Drehstuhl"
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Auswahlregeln "Drehstuhl"
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